Michaela Dreier

Hommage an den Lebensweg

Es ist immer zu früh, wir sind gefühlt immer unvorbereitet. Unsere Furcht vor dem Tod, dem Abschied, zeigt, wie sehr wir den Bezug zum dem natürlichen Lauf der Dinge verloren haben. Wir haben die normalste Sache der Welt – und die Einzige, die jeden gleichermaßen betrifft - konsequent aus unserem Bewusstsein gedrängt. Der Tod ist neben der Geburt die einzige Erfahrung, die alle teilen. Und doch schrecken wir davor zurück. Stirbt jemand, der uns nahestand, sind wir daher nachvollziehbar zu tiefst erschüttert. Ebenso wenn unser Leben durch Krankheit oder Unfall bedroht ist. Unsere Erwartung nach Sicherheit, Berechenbarkeit und Selbstbestimmung erweist sich als Luftschloss.

Ich hatte das Glück, als Kind mich frei in der Natur, umgeben von all den natürlichen Vorgängen und Veränderungen, bewegen zu dürfen. Ich war dabei, als Kälber geboren und Hühner geschlachtet wurden, auf der Jagd und beim Zerlegen von Wild. Rehe aufbrechen oder Fasane und Enten rupfen war kein grausames Drama, sondern Teil der Vorbereitungen für ein Festmahl. Auch Menschen um mich herum starben. Sie wurden nicht totgeschwiegen, sondern betrauert. Oft wurde dann auch noch gefeiert. Ebenso wie die Geburt eines Kindes Anlass für eine Feier war. Tod und Leben – sie waren schon immer Teil meines Lebens. Ich habe halt immer genau hingesehen, beobachtet.

Fundstücke, die das Morbide zeigen, zeichnete ich schon als Jugendliche gerne und tue es heute noch. Die Kunst, das Sichtbarmachen meiner Erfahrungen und Emotionen, war und ist mir schon immer hilfreich. Nahe Freunde und engste Vertraute die verstarben und auch der Tod der Großeltern fand in jeweils unterschiedlicher Form einen für mich annehmbaren Ausdruck. Zeichnungen mit dem Sensographen* in Trance und Freihandzeichnungen als „Bilder aus dem Unbewußten“* zeigten unabhängig von aktuellen Ereignissen wiederholt die Themen Tod und Eros, Himmel und Hölle, Spiel und Liebe auf. Mit 40 Jahren mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert, floss diese Erfahrung ebenfalls in meine Bilder ein. Collagen, Fotografien, Monotypin und – abermals - Zeichnungen entstanden als Dokument dieser intensiven Zeit und waren mein Weg der Ver- und Bearbeitung. Darauf zurückzugreifen war also naheliegend, als der plötzliche Tod meines Exmannes im November 2021 mich erschütterte – aber nicht lähmte.

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Text und Konzept Michaela Dreier
Anmeldung unter 01777755448 direkt bei der Künstlerin

Hommage – Würdigungsritual als Form der Trauer

In meiner Kindheit spielten wir Sterben und geboren werden, wir dachten wir uns selbst Rituale aus, z.B. Beerdigungszeremonien für unsere verstorbenen Tiere. Als junger Mensch eingebunden in ein gesellschaftliches und familiäres Netz und so miterlebte Abschiede zeigten Wege des Begreifens auf. Über die Auseinandersetzung mit der Kunst anderer Kulturen wurden unweigerlich auch andere Rituale für mich spürbar und der universelle spirituelle Zusammenhang erkennbar. Letztlich findet immer ein Er-innern statt, vom althochdeutsch innarōn „das jemand einer Sache innewird“, also ein Verinnerlichen einer besonderen Verbindung und Zeit. Fokus eines Trauerrituals, so wie ich es anbiete (regelmäßig auch als Kunsttherapeutin in einer Psychosomatischen Klinik), ist eben NICHT Loslassen und Verabschieden, sondern das Transformieren. Es ist eine Möglichkeit, das Besondere eines Menschen, einer Erfahrung zu bewahren und in das eigene Leben zu integrieren. Ein Wissen, das wir zunehmend verlieren. Trauer folgt keinem Programm und hat keine Zeit. Trauer und Würdigung braucht vorallem auch eine Gemeinschaft. Stattdessen erleben viele Trauernde den Rückzug des Umfeldes. In dem Ritual, das im Rahmen der Ausstellung „Hommage“ statt findet, geht es in erster Linie um diese Gemeinschaft, um das Teilen von Erfahrungen und das Mitteilen des Verlustes. Nicht das Wie des Verlustes steht im Vordergrund, sondern der „Inhalt“ – ob ein Mensch, ein Tier, ein Lebensabschnitt, eine Fähigkeit (z.B. nach einer Erkrankung). Oftmals erkennen wir so die Botschaft, die in diesem Verlust und in dem Erleben liegt und die Sinnhaftigkeit wird spürbar.

Weiterführende Literatur:
„Der Magische Alltag – Rituale und Rezepte“, Luisa Francia
„Kunst-Magie-Heilen“ – Cambra Skade
Yorick Spiegel, Theologe: Der Prozeß des Trauerns. Analyse und Beratung
Roland Kachler „Meine Trauer wird dich finden“

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„Ich beziehe mich auf die Natur und nutze meine Sinne um deren Vielschichtigkeit zu begreifen. Ich bezeichne mich als "Netzwerkerin" - ich verwebe, verbinde, vermale, baue Schichten auf, trage ab, verändere- auf der Bildebene und im Leben“, so die Künstlerin Michaela Dreier. Sie hat sich nach der Ausbildung zur Redakteurin in jungen Jahren intensiv mit der bildenden Kunst auseinandergesetzt. Die Sommerakademie in Salzburg u. a. bei Eva Koethen, aber auch das „Zeichnen aus dem Unbewussten“ bei Ugo Dossi hat großen Einfluss auf ihre Arbeit genommen. Parallel war sie Mitbegründerin der Malschule Burghausen, die sie über zehn Jahre leitete, inklusive dem angegliederten KunstWERK.Im Mittelpunkt stand dabei der Mensch mit seinen kreativen Wurzeln, im Kontex seiner Lebenssituation und der Kunst. Aus dieser Erfahrung heraus war für Michaela Dreier das fünfjährige Studium der unsttherapie eine logische Schlussfolgerung.

Ihr Handwerkszeug ist vielfältig wie die verwendeten Techniken und Materialien (Grafit, Bienenwachs, Fotografien, Acryl, Tempera, Pigmente, Kohle, Collage, Fundstücke). Sie beginnt häufig mit Kritzel- und Zeichenarbeit als Basis und baut darauf auf, entwickelt, imaginiert und verändert. Ständige Begleiter sind Skizzenbuch und Kamera.

Die in der Galerie gezeigten Arbeiten von Michaela Dreier sind erfüllt von archaischer Kraft, lassen schamanischen Ursprung vermuten und würdigen Vergangenes mit dem Blick auf Zukünftiges. Sie scheinen einen Weg zu bereiten mit offenem Ausgang – die Künstlerin hat das Ihre dazu beigetragen….dass die Dinge reifen können, ihnen Anstoß gegeben.

Die Installation „Korbgeburt“ bewahrt Samenstände für die Ewigkeit in Bienenwachs getaucht, jederzeit bereit zum richtigen Zeitpunkt auf fruchtbare Erde zu fallen. In der Fensterinstallation erfahren tote Bienen eine späte Würdigung. Um Bewahren geht es auch bei „Lost“ eine Hommage an vergangenes Leben – eine Übergangssituation.

Die Papierarbeit „Innenwelten“ beschäftigt sich mit der Entwicklung derselben. Durch das großzügig angelegte Trägermaterial hat die Innenwelt Platz sich auszudehnen – lebensbestimmend zu werden. Im Hintergrund das Werk „Die Schmerzen der Mütter“, wie aufgebrochene Eierschalen auf deren Inhalt sich nur noch durch die am Boden verbliebene Essenz schließen lässt (Schmerz, Liebe, Hoffnung). Eine mögliche Begleitung der Innenwelten über viele Generationen.

In den Bildwerken, meist Collagen mit Bienenwachs lasiert, zeigt Dreier Menschen in Veränderung begriffen, in abwartender Haltung – in einer Momentaufnahme die sich jederzeit lösen kann. Das Wachs löst sich durch Wärme wird neu formbar – ein Hinweis darauf, dass durch Herzenswärme völlig neue Möglichkeiten entstehen können.

Michaela Dreier
Hirschau 29
83355 Grabenstätt
0049 (0)1772291476
m3er@michaeladreier.de

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